Der schreckliche Tod im Winterberg Tunnel

Der schreckliche Tod im Winterberg Tunnel

Vor kurzem ist der Eingang zum Winterberg Tunnel gefunden worden, einem 300m langen Tunnelsystem, welches während der Kämpfe im 1. Weltkrieg verschüttet wurde und 275 junge Deutsche Soldaten lebend einschloss. Hier ein Augenzeugenbericht von einem der einzigen drei Überlebenden:

„Es war der 4. Mai 1917… wahrscheinlich zwischen 11:00 Uhr und Mittag. Wir schenkten dem Artilleriefeuer keine große Beachtung, da wir den Beschuss gewohnt waren. Da die 11. Kompanie als Reserve diente, besuchte ich einige Freunde, dann gingen wir weiter (in den Tunnel hinein) zu einem Platz in der Nähe des Funkraums. Während wir plauderten und eine Tasse Kaffee über einer kleinen Kerze erwärmten, passierte etwas unglaubliches. Eine ungeheuerliche Explosion traf uns wie ein Schock. Was war passiert? Es folgten weitere Explosionen. Wir probierten uns nach vorne zu bewegen, doch wurden von schwarzen Wolken und Gas empfangen. Ausgang 3 war zusammengestürzt und Ausgang 4 war voller Gas und Rauch, wir zogen uns zurück und versuchten eine Barrikade aus Rucksäcken und Mänteln zu errichten, doch konnten die Ausbreitung der giftigen Dämpfe nicht verhindern.

Eine schwere Granate hatte einen direkten Treffer auf die Reservemuniton gelandet, welche am Eingang gestapelt wurde. Die darauf folgenden Explosionen trieben das Gas in unsere Richtung, die Ventilatoren verstärkten den Effekt, indem sie die Luft nach hinten in den Tunnel bliesen. Wir bauten eine Barrikade aus Sandsäcken und hofften, dass das Gas davon aufgehalten würde und wir gerettet werden könnten. Doch wir hörten weitere Explosionen und wie sich herausstellte, war der Schacht blockiert. Wir waren von der Außenwelt abgeschnitten und die Luft im Tunnel war im besten Falle von sehr schlechter Qualität. Die Zeit verging und das Atmen wurde schwer. Wir versuchten einen Belüftungsschacht zu graben, doch versagten. Wir realisierten, dass die Luft fast aufgebraucht war, Lichter gingen aus und Streichhölzer flackerten nur. Die Hitze war unerträglich. Wir wurden durstig und verloren alle Hoffnung auf Rettung.

Viele standen dem mentalen und körperlichen Zusammenbruch nahe. Am Boden liegend wurden sie von dem Durst und der enormen Hitze gequält. Jeder war völlig Niedergeschlagen. Es war schrecklich. Ich konnte hören, wie jemand sein Gebet sprach. Ich werde den Tod meiner Kameraden nie vergessen. Einer rief nach seiner Frau, ein anderer nach seinen Eltern und Geschwistern. Ich selbst war emotional zerschlagen und nahm im Geiste von allem Abschied, was mir lieb war. Jeder rief nach Wasser, aber es war vergebens. Der Tod lachte seiner Ernte entgegen und stand Wache an der Barrikade, sodass niemand entkommen konnte. Wie lange wir eingeschlossen waren, konnte ich nicht sagen, 3 oder 4 Tage? Dumpfe Schüsse hallten in der dunklen Höhle wieder. Einige schwärmten von Rettung, andere nach Wasser. Es wurde zu einem Platz des endgültigen Abschieds und Tod. Ein Kamerad lag auf dem Boden neben mir und krächzte mit einer brechenden Stimme nach jemanden, der seine Pistole für ihn durchlädt. Ich rief zurück und tastete mich zu ihm. Er übergab mir seine Luger, mit meiner letzten Kraft lud ich sie durch und gab sie ihm zurück. Es gab eine kurze Pause, als würde er von allem Abschied nehmen, was ihm lieb war. Es erschallte ein lauter Knall in diesem lebenden Grab, dann gab er ein Todesröcheln von sich. Er hatte Erlösung gefunden.

Ich dachte, dass ich auch bald Frieden finden könne. Ich suchte nach der Waffe und fand sie. Sagte meine Abschiedsworte, druckte den Lauf gegen mein Herz – er fühlte sich kalt an – und hob meine rechte Hand weiter nach oben. Als ich wieder aufwachte, lag ich flach auf dem Boden. Meine plötzliche Ohnmacht hatte mich davon abgehalten, den letzten Schritt zu gehen. Dem Wahnsinn nahe suchte ich nach Wasser, aber wurde von leeren Wasserflaschen verhöhnt. Ich schaffte es mich hinzuknien, formte meine Hände zu einer Schale und trank meinen eigenen Urin. Als ich weiter kroch, stoß ich auf einen Sandhügel und legte mich hinein, um meinen Körper etwas abzukühlen. Ich fand auch einen kleinen Handbrenner und probierte, ihn an zu machen. Es erforderte all meine Kraft und das Licht brannte in meinen Augen, doch was ich sah war schrecklich: Meine toten, nackten Kameraden lagen in verkrampften Positionen und ausgestreckten Armen (auf dem Boden). Ich wollte nichts mehr sehen und machte den Brenner wieder aus… und verlor das Bewusstsein, für wir lange weiß ich nicht.

Ich lag immer noch auf meinem kleinen Hügel, als ich meinen Ohren nicht trauen konnte – wahrscheinlich spiele mir der Tod einen Streich – denn ich hörte Worte. Hilfe! Ich wusste nicht, von wo es kam. Ich war immer noch von Dunkelheit umhüllt, doch die Geräusche kamen näher. Ich drehte meinen Kopf etwas und hob ihn an, etwas strahlte in meine Augen und ich schloss sie. Könnte das Licht sein? War das Rettung? Ich versuchte mit meiner letzten Kraft zu rufen, dann hörte ich sie. ‚Bleib ruhig Kamerad, wir sind auf dem Weg!‘ Sie lehnten sich über mich, meine Retter, und gaben mir Wasser. Wasser! Ich konnte es nicht glauben. Würde ich gerettet werden? Noch einmal mussten sie mich verlassen, dann kamen sie und trugen mich in einer Plane aus der Höhle. Kalte Luft blies über mich hinweg und es gab noch mehr Wasser. Der Rettungstrupp sagte ‚Das ist der 6. Tag seit dem Einsturz!‘ Zwei andere Kameraden wurden mit mir gerettet.

Der Doktor sagte mir, weniger als ein halber Tag mehr und es wäre zu spät gewesen. Mir wurde erzählt, dass das Innere des Tunnels ein tragischer Anblick war. All die anderen Kameraden hatten ihr Leiden beendet, indem sie sich selbst erschossen oder ihre Arterien aufgeschnitten hatten.“

- Musketier Karl Fißer, 11. Kompanie, Reserve-Infanterie-Regiment Nr. 111

Der Eingang zum Tunnel wurde offiziell im Januar 2020 von mehreren Amateurhistorikern entdeckt. Alain Malinowski, Bürgermeister von Orainville (Frankreich), überprüfte 25 Jahre lang alte Militärkarten aus Archiven, um den Eingang zu finden, während sein Sohn Pierre Malinowski die Nachtaktion plante, um den Eingang ohne Genehmigungen zu öffnen.
Der Tunnel soll dieses Jahr (2021) von deutschen und französischen Archäologen ausgegraben werden, um den darin eingeschlossenen Soldaten eine Bestattung zu ermöglichen. Es wäre das "Pompei" des 1. Weltkriegs.

Update 30. April 2021: Nachdem deutsche und französische Kräfte gemeinsam mit den offiziellen Ausgrabungen begonnen hatten, wurde so viel Munition freigesetzt, dass die Grabungsarbeiten eingestellt werden müssen. Auf Grund der Eigengefahr plant man nun, den Ort zu einem Gedenkplatz zu machen und die Toten unberührt zu lassen.

 

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2 comments


  • Stessel Erich

    Die für Ihr Vaterland Ihr Leben ließen dürfen NIE vergessen werden.


  • Patrick

    Mögen sie in Frieden ruhen und ein Grab das ihnen gerecht wird bekommen.


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